Wurde hingegen bei einem Oldie die schöne Patina erhalten, muss auch die Innenausstattung „patiniert“ bleiben. Und das ist eine hohe Kunst. Nehmen wir beispielsweise den hier abgebildeten Dodge 880 aus dem Jahr 1961. Er verzaubert durch das patinierte Blechkleid, mit teilweise bis auf die Grundierung durchpoliertem Lack und auch den Spuren, welche die amerikanische Sonne in den Lack förmlich eingebrannt hat. Der Chrom ist in sehr gutem Zustand und hat, wie übrigens das ganze Blechkleid ebenso, keine Beulen. Die optische Erscheinung ist stimmig und fast schon ergreifend. Die Sitzbänke aber waren aufgerissen. Auch das ist für viele Patina, schränkt aber die Nutzung des Wagens erheblich ein. Und Patina soll ja auch Substanzerhalt sein – und mit gerissenen Sitzen wird bei jeder Belastung Substanz verschlechtert. Denn, wenn eine Rissbildung stattgefunden hat, ist das Material so trocken und ausgehärtet, dass es mit jedem Platz nehmen munter weiter reißt. Irgendwann sitzt der Fahrer dann auf dem Drahtgestell.
Und jetzt kommt ein zusätzliches Problem. Die Innenausstattung der meisten US-Fahrzeuge besteht aus Kunstleder (Vinyl). Sind die Weichmacher draußen, reißen die Nähte. Und Kunstleder lässt sich nicht nähren wie Leder. Folglich muss ein „Künstler“ ran: Die einzige Chance ist, in Bereichen, die nicht sichtbar sind, Material zu entnehmen, um gerissene Bahnen zu ersetzen. Das können Rückenlehnen oder innen liegende Seitenflanken sein, welche wiederum mit neuerem Material ersetzt werden können. Hauptsache, der optisch sichtbare Bereich bleibt original. Bei teuren Fahrzeugen gehen Spezialisten sogar so weit, dass sie alte, ebenfalls verschlissene Innenausstattungen aufkaufen, um Ersatzmaterial zu haben. Fest steht dabei in jedem Fall: Dieser authentische Weg kostet viel Zeit und dadurch weit mehr, als Innenausstattungsteile neu zu beziehen.
Und noch ein Tipp von Mark Lorch aus Plattenhardt auf den Fildern, der übrigens die Dodge-Sitzbänke restaurierte: „Wenn sich der geformte Schaumstoff unter den Bezügen aufgelöst hat, welcher dem Bezug den Halt gibt, sinkt man sehr tief in den Sitz ein. Dann ist schnellster Handlungsbedarf angesagt. Es werden nämlich die Nähte weitaus höher belastet als bei straffen Sitzpolstern. Und die Folgen gerissener Nahtstellen sind bekannt.“ Das leuchtet ein.
Auch der abgebildete Karman-Ghia von 1960, den aufmerksame Leser aus einem früheren Beitrag über Ghia wiedererkennen werden, lebt von seiner Patina – und seiner Individualisierung. Die beiden Sitze waren noch gut, nicht aber die Türverkleidungen. Diese waren stark gewellt. Der Bezug aber ohne Risse. Dieser wird dann vorsichtig abgetrennt und auf eine neue Pappe aufgezogen. Reproteile landeten in diesem Fall gleich im Müll, da diese überhaupt nicht passten. Abhilfe schaffte, neue Pappen selbst zuzuschneiden. Auch hier mahnt Lorch: „Ohne Auto zum Anpassen geht hier nichts. Sind die alten Pappen einmal durch Feuchtigkeit verzogen, taugen diese nicht mehr, um die Löcher für die Klammern anzuzeichnen. Hier hilft nur aufwendiges Anpassen, Bohrung für Bohrung.“
Der Porsche 356 Speedster Sitz auf der Fahrerseite ist zwar nicht original, gibt dem Karman-Ghia aber einen sportlich-individuellen Touch und das Cabrio bleibt weiterhin stimmig, vor allem in Kombination mit der fehlenden vorderen Stoßstange. In den sechziger und siebziger Jahren war es übrigens durchaus üblich, nur auf der Fahrerseite ein sportliches Gestühl zu montieren. Ein Beifahrer konnte sich ja schließlich festhalten. Wichtig bei derartigen Umbauten ist es, Sitzkonsolen entsprechend der Vorschriften anzupassen.
Diese Philosophie des sportlichen Fahrersitzes wurde auch bei dem Volvo 244 angewendet, mit größtmöglichem Aufwand. Ein originaler Recaro-Basissitz mit dem „Fliegengitter“ in der Kopfstützenmitte kostet heute richtig Geld, da diese in den siebziger und achtziger Jahren in vielen Fahrzeugmarken Anwendung fanden, auch bei Porsche. Und nach der teuersten Marke richtet sich der Preis auf dem Markt. Geld alleine reicht aber nicht für diesen ultraseltenen Recaro-Stoff mit den Streifen in Blautönen. Hier geht ohne Kontakte und Sympathie gar nichts. Es soll nur eine Rolle davon gegeben haben und das weiß der Recaro-Spezialist aus Nordrhein-Westfalen, der diese Rarität im Lager hat. Die für einen Sitz notwendigen 1,5 Meter Stoff kosteten das Dreifache des historischen Basissitzes.
Dann die für Volvo passende Sportsitz-Konsole, seit über zehn Jahren nicht mehr lieferbar. Anhand eines Musterteils konnte diese nachgefertigt werden. Summa summarum entstand zwar jetzt ein absolut stimmiges Zubehörteil für diesen Volvo, schöner als jeder Zubehörsitz, welcher in zeitgenössischen Prospekten abgebildet ist. Die Kosten dafür stehen aber in keiner Relation zum Marktwert des Fahrzeugs. Individualisierung im Interieur kennt eben keine Grenzen.
Nach diesen positiven Beispielen wollen wir aber auch zeigen, wie durch neuen Teilbezug von Innenausstattungskomponenten die ganze Anmutung eines Oldtimers zerstört werden kann. Auf dem Foto ist anhand eines BMW 3.0 CSI-Interieurs zu sehen, wie befremdend es aussieht, wenn bei der Materialwahl danebengegriffen wurde. Diese Arbeit ist alles andere als stimmig.
Fotos: Solitude GmbH