Oldtimerstatus und H-Kennzeichen im Aufwind
Pünktlich zum 1. Januar eines jeden Jahres macht das Kraftfahrt-Bundesamt seine jährlichen „Inventuren“ und veröffentlicht meist im April die aktuellen Zahlen. Legt man die Zahlen der letzten Veröffentlichung zum 1.1.2021 zugrunde, dann ist der Bestand an Kraftfahrzeugen (Pkw, Motorräder, Lastkraftwagen, Anhänger) mit Oldtimerstatus – also ab 30 Jahren und älter – auf 660.250 Kraftfahrzeuge mit und ohne H-Kennzeichen gewachsen. Das sind erneut 11 Prozent mehr als im Vorjahr 2020. Allerdings relativiert sich diese Statistik, wenn man den Gesamtbestand aller Kraftfahrzeuge in Deutschland zu Grunde legt. Zum 1.1.2021 waren das in Deutschland rund 66,9 Mio. zugelassene Fahrzeuge. Das sind 1.6% Fahrzeuge mehr als im Vorjahr 2020. Also ein Plus von 1.1 Mio. Fahrzeuge im Gesamtbestand, die im Wesentlichen durch Neuzulassungen zustande kam. Interessant ist hier die Interpretation des ADAC: „Im vergangenen Jahr wurden wesentlich mehr Neuwagen auf Deutschlands Straßen zusätzlich zugelassen, als insgesamt an gut gepflegten und gewarteten Oldtimern in den Garagen stehen.“ Das beruhigt, gibt aber noch keine Antwort darauf, wohin sich der Oldtimermarkt entwickeln wird. Hilft aber zur Beruhigung und intendiert: „Alles nicht so schlimm!“ Momentan stimmt das zwar, aber die täglichen Hiobsbotschaften für Autofahrer entfachen die Diskussion erneut (siehe Diagramm Entwicklung Bestand an Oldtimern mit und ohne H-Kennzeichen).
Beruhigend sind da die Zahlen des KBA nach Altersgruppen, die mit und ohne H-Kennzeichen den Oldtimerstatus über 30 Jahre besitzen. Allen voran sind das die 30-34jährigen mit 141.954 Fahrzeugen, gefolgt von den 35-39jährigen, die 121.971 Fahrzeuge aufweisen. Die nachfolgenden Jahrgangsblöcke 40-44 Jahre und 45-49 Jahre sind bei rund 100.000 Fahrzeugen, während die 50-59jährigen auf 133.843 Fahrzeuge angewachsen sind. 60 Jahre und älter sind 62.452 Fahrzeuge (siehe Diagramm Oldtimer mit und ohne H-Kennzeichen nach Altersgruppen).
Gründe des kommenden Abschwungs im Oldtimermarkt
Trotz dieser durchweg positiven Zahlen wird sich ein Abschwung im Oldtimermarkt nicht verhindern lassen, wenngleich die Gründe eher zwischen den „Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes“ zu suchen wären, genauer gesagt bei einem Vergleich der Oldtimer-Altersgruppen in einem Zeitraum von 10 Jahren. Diese Wanderbewegung zeigt deutlich das Fehlen nachwachsender Interessenten. Weshalb dieses Ausbleiben kann seine Ursache neben der nachlassenden Verfügbarkeit von Ersatzteilen und den damit verbundenen steigenden Ersatzteilpreisen haben, oder die steigenden Anschaffungspreise eines Oldtimers. Trotz etwas fallender Preise seit dem Boom der 2015-2018er Jahren hat sich hier nicht Wesentliches verändert, außer dass auch die Unterhaltskosten enorm gestiegen sind. Der Grund kommender Abschwünge ist wohl eher das Fehlen der Zielgruppe oder anders ausgedrückt das Fehlen ganzer Generationen, die emotional noch etwas mit Classic Cars verbinden kann. Kommende Generationen sind nachweislich weniger Automobilfixiert. Das Interesse an Oldtimern wird wohl nachlassen, bzw. der Sinneswandel ist schon bemerkbar. Die Konsequenz dieses „Desinteresses“ bedeutet in Zukunft geringere Nachfrage, Überangebot an Oldtimern und ergo fallende Preise. Betrachtet man die Statistik der Oldtimer-Altersgruppen über einen Zeitraum von 10 Jahren, ist folgendes feststellbar (siehe Diagramm Vergleich der Oldtimer-Altersgruppen).
Die Bestände der Einstiegsklasse mit Oldtimer-Status, also den Fahrzeugen ab 30 Jahren, nimmt nicht mehr zu. Deutlich zu sehen bei den 30-35jährigen Oldtimern. Hier waren vor 10 Jahren rund 21,4% in der Oldtimer-Altersgruppe vertreten. 10 Jahre später waren dies ebenfalls 21,5% in der gleichen Altersgruppe. Das deutet auf Stagnation. Im Bereich der 35-39jährigen schrumpfte der Bestand sogar von 27,6% (2011) auf 18,5% im Jahre 2021. Ebenfalls rückläufig die Oldtimer der 40-45jährigen Gruppe, die 2011 noch 21,8% auswies und nach 10 Jahren nur noch 15,1% der Altersgruppe ausmachte. Wohin diese Bestände gewandert sind, zeigt der 10-Jahres-Vergleich aber auch. Die Autos sind älter geworden und bescheren den Altersgruppen ab 50 Jahren deutliche Zuwächse. Ab 50 Jahren steigen die Anteile in den Altersgruppen signifikant an. Bei den 45-49jährigen von 12,7% (2011) auf 15,2% (2021). Die 50-59jährigen steigen von 12,5% (2011) auf 20,3% (2021). Die Bestände der über 60 Jahre alten Oldtimer stiegen sogar von 3,9% (2011) auf 9,5% (2021). Im Verlauf der letzten 10 Jahre wurden die bestehenden Oldtimer also durchaus von ihren Besitzern gehalten oder weitergereicht, während bei den jüngeren Oldtimer-Altersgruppen keine signifikanten Steigerungen oder fallende Bestände feststellbar sind, da Marktteilnehmer oder nachwachsende Generationen fehlen.
Interessenverschiebung gilt es im Auge zu behalten
Bleibt festzuhalten, dass der Oldtimermarkt im Moment noch floriert. Der Einfluss von Corona auf die Preise ist als gering einzuschätzen und Preise haben sich in den letzten Jahren konsolidiert. Die Masse der Oldtimer kann immer noch einen Wertzuwachs von rund 5,8 % (VDA) vorweisen. Sicherlich gibt es auch Fahrzeuge mit rückläufiger Preisentwicklung, aber in der Premiumklasse sind weiterhin respektable Wertsteigerungen feststellbar. Nach den Boomjahren 2015 hat sich der Oldtimermarkt beruhigt und in der Masse sind die Wertsteigerungen auf ein „normales Maß“ zurückgekehrt. Zinsängste und Flucht in Sachwerte sind im Oldtimermarkt zu vernachlässigen, da nach Meinung der Marktbeobachter die Klientel der Oldtimerbesitzer selten ein Fahrzeug als Investition erwerben, sondern eher als Ausdruck ihres Lebensstils und der Freude am Fahren. Doch diese emotionale Verbundenheit mit dem Automobil wird in kommenden Generationen wohl abnehmen. Bleibt zu hoffen, dass das Hobby „Classic Cars“ nicht so enden wird wie das Hobby Briefmarkensammeln. Diese Sammlergeneration ist bereits den Weg alles irdischen gegangen und nachfolgende Generationen wissen zwar was Briefmarken sind, aber einen emotionalen Bezug zu dieser antiquierten Welt haben sie nicht. Wer verschickt denn heute noch Briefe, wenn er nicht unbedingt muss.